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Neukunden gewinnen, Menschen überzeugen, erfolgreich sein. Der Erfolgs-Blog von Stefan Gössler. Ideen rund um die Erfolgsprinzipien. Von Führung und Selbstführung, Verkauf und Kommunikation, Netzwerken und Teamentwicklung. Wirksprache, die Kunden überzeugt.

Manipulationsmethode: Labelling

Im Lauf der Jahre hab ich mir sehr viele Argumentationsmuster angesehen und bin auf eine bitterböse Form der Analogie gestoßen und die will ich Ihnen heute vorstellen.

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Dabei geht es um eine Methode, mit der Sie unliebsame Themen rasch abdrehen, Ihren Herzensprojekten aber einen richtig guten Schub verleihen können. Wie so oft greifen wir auch hier zu Beispielen aus der Politik. Denn eine Welt in der nur Worte zählen entwickelt rasch einen ganz eigenen Darwinismus. Dort überleben jene, die Worte schneller und effektiver finden und einsetzen und die mit ihren Worten Vorschläge der anderen eliminieren und oder auch verhindern, dass die eigenen den Bach hinunter gehen.

Labelling, also einen Aufkleber anbringen, kommt eigentlich aus der Marketingbranche. Es war der Start der Eigenmarken der großen Konsumgüterkonzerne, da nahm man das Produkt einer Firma und ließ vom Hersteller einfach ein anderes Label aufkleben. Dieser Aufkleber war dann eben das neue Label.

Ich bezeichne Labelling in der Rhetorik als einen Manipulationsversuch, der darauf abzielt, einem Vorschlag oder einer Person ein Label aufzudrücken, welches mir gut passt und in eine bestimmte Richtung lenkt.

Es gab so einige Projekte in meiner Karriere, die durch bösartiges Labelling an den Rand des Abgrunds oder noch ein paar Schritte weiter getrieben wurden. Mehrere Jahre lang war ich für die strategische Weiterentwicklung einer bestimmten Software verantwortlich. Meine Strategie war, den Kunden genau zuzuhören und daraus abzuleiten, was die Software in den nächsten 6, 12, 18 Monaten können sollte. Eine der Erkenntnisse war, dass eine Visualisierung von Unternehmenszielen, Maßnahmen und Kenngrößen, in Form von Ursache-Wirkungs-Ketten, unbedingt nötig wäre. Das war damals in der üblichen Unternehmenssoftware undenkbar. Der Entwicklungsleiter war entsprechend begeistert und stellte fest:

Stefan Gössler möchte einfach Microsoft Powerpoint nachprogrammieren. Daraus wurde dann ganz schnell Stefans Powerpoint Projekt, sogar mit dem internen Code SPP. Unsere Firma hatte einmal den Fehler gemacht, vorhandene Software neu zu entwickeln, damit sie eben „von uns“ käme, mit schrecklichen Folgen. Nicht nur war die Qualität der ersten Gehversuche schrecklich im Vergleich zu dem Ergebnis des routinierten Wettbewerbers, wir hatten auch nicht annähernd die Erfahrung das Teil im Markt zu betreiben. Können Sie sich vorstellen, wie die Geschäftsführung darauf reagierte, als es hieß „Stefan will Powerpoint nachprogrammieren“?

Ich brauchte sehr viel politisches Kapital, viel Zeit und Energie, um mein Ansinnen durchzusetzen. Dieses Stigma des Labels „Powerpoint nachprogrammieren“ schaffte ein Vorurteil im Kopf von jedem, mit dem ich darüber redete. Jeden musste ich überzeugen, hunderte Male dieselben Argumente wieder und wieder entkräften.

Es gelang mir damals, die anderen zu überzeugen und das Ergebnis setzte uns über 3 Jahre vor die Konkurrenz. 3 Jahre und mehrere Millionen Euro Umsatz. Das tat gut.

Doch das Labelling hätte das Projekt fast zum Absturz gebracht. Diese manipulative Analogie ist extrem schwer zu widerlegen, vor allem, wenn sie gut transportiert wird.

Schauen wir uns das an einem echten Beispiel an. Vielleicht können Sie sich noch an Stuttgart 21 erinnern und wie die Grünen von der Anti-Stuttgart 21 Bewegung profitierten? Ja, eine ganze Wahl wurde durch die Kombination von Stuttgart 21 und Fukushima entschieden. Das saß für die CDU wie ein Stachel und es war ganz klar: die Grünen müssen zur Räson gebracht werden. Also beschloss man die Grünen als die Blockadepartei abzustempeln.

Für Labelling brauche ich einmal eine gute Ouvertüre. In der Privatwirtschaft geht das oft bei einem Kaffee oder einem Bier. Wenn die negative Form des Labellings geschieht, dann ist das oft Teil von Mobbing. Schauen wir uns professionelles Labelling in der Politik an, wenn zum Beispiel die Grünen gefügig gemacht werden sollen: die Ouvertüre macht Bundeskanzlerin Merkel.

Merkel: „Und meine Damen und Herren, die Grünen, sie sind sozusagen ziemlich fest verbandelt mit dem Wort dagegen. Erneuerbare Energien JA, neue Netzleitungen NEIN, Pumpspeicherkraftwerke in Bayern NEIN. Sie wollen angeblich für den Zugverkehr sein, mehr auf die Schiene, aber wo immer ein neuer Bahnhof gebaut wird, da sind sie dagegen. Ja, ob es hier in Berlin Ostkreuz ist, ob es in Stuttgart 21 und wo immer eine neue ICE-Strecke entsteht, sind sie auch dagegen. Und sie sind natürlich für den Sport. Wer wollte das nicht? Wahrscheinlich auch für Sport ins Grundgesetz, aber wenn es um Olympische Spiele in Deutschland geht, dann sind sie natürlich dagegen.“

Damit ist das Feld eröffnet und – ob abgesprochen oder nicht – erfahrene Politprofis springen auf den Zug auf und legen nach:

„Und dazu sind wir gewillt, die Grünen beispielsweise leider nicht. Sie sind die Dagegen-Partei. Wir wussten, dass sie gegen Straßen und Flughäfen sind. Seit Stuttgart 21 wissen wir, dass sie auch gegen die Modernisierung von Bahnhöfen sind. Jetzt sind sie auch noch gegen Investitionen gegen die ökologischsten Verkehrswege überhaupt: nämlich die Schifffahrt. Sie sind letztlich gegen ALLES.“

Irgendwann braucht es auch nicht mehr so viele Worte, Brüderle macht da kurzen Prozess:

„Die Grünen sind die Dagegen-Partei. Sie surfen auf der Blockadewelle.“

Und sogar noch Wochen danach, kann man mit diesem Label schön sticheln und dem anderen die Entscheidung schwer machen:

Rösler: „Oder haben Sie etwa Angst? Weil vielleicht doch wieder ein bisschen die kleine, traurige Dagegen-Partei, dann durch …“

Oder auch einfach den Gegner ins Lächerliche ziehen:

Merkel: „Meine Damen und Herren, wenn’s so weitergeht, werden die Grünen für Weihnachten sein, aber gegen die davor geschaltete Adventzeit.“

Diese Form des Labellings ist natürlich nicht gerade sehr freundlich – und sie ist schwierig zugleich. Ist Ihnen aufgefallen, wie umfangreich Frau Merkel noch argumentieren musste? Auch der zweite Redner, redete noch viel länger über die so genannte grüne Blockepolitik. Die Analogie der „Dagegen-Partei“ ist schwierig zu etablieren, da keiner von uns ein fertiges Bild von einer Dagegen-Partei hatte. Dieses Bild muss erst etabliert werden. Das ist ein Problem, welches wir in der Unternehmenspraxis normalerweise nicht haben.

Tatsächlich ist belegt, dass die Grünen nachher viel kompromissbereiter waren, um das Dagegen-Image loszuwerden. Denn die nächste Wahl kommt bestimmt und eine Dagegen-Partei wählt keiner.

Eines muss ich Ihnen an dieser Stelle gestehen. Der Podcast war schon fertig – geschnitten, abgemixt und bereit zum Hochladen. Da habe ich einen Fehler gemacht. Einen schweren Fehler. Sie werden sagen, ich hätte es wissen müssen, aber so ist es nun mal. Was ist passiert? Ich habe den Fernseher aufgedreht. Und da war Alice Schwarzer bei einer Diskussionsrunde. Menschen bei Maischberger. Diskutiert wurde heftig und unter uns gesagt: es war ein tristes Beispiel für Diskussionskultur.

Stellen Sie sich vor Sie haben die Position der Verteidigerin der Frauen – doch im Raum ist eine gewählte Frauenvertreterin, die eine andere Meinung hat. In diesem Fall Frau Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende einer Frauenorganisation und ehemalige Bundestagsabgeordnete. Sie vertritt die Ansicht, dass einvernehmlicher Verkehr unter Erwachsenen den Staat nichts angehe. Diese Person könnte Ihnen die Position der Frauenverteidigerin streitig machen. Das Risiko eliminieren wir. Wie das geht? Mit Labelling.

„Zunächst will ich Ihnen sagen: ich wundere mich sehr, dass eine Frauenrechtsorganisation wie Terre des Femmes, die in ihren Grundsatzstatuten stehen hat, dass sie Prostitution bekämpft, eine Befürworterin der Prostitution wie Sie zur Chefin hat. Aber gut.“

Harte Geschütze. Eine ehemalige grüne Abgeordnete und Vorsitzende eines Frauenrechtsvereins als Prostitutionsbefürworterin zu diffamieren, ist schon stark. Und natürlich völliger Unsinn. Vielleicht sind Sie gegen eine bestimmte Geschwindigkeitsbegrenzung, das heißt aber nicht, dass Sie automatisch der Meinung sind, jeder soll rasen dürfen wo und wie er will. Im Ortsgebiet, vor Schulen und Kindergärten.

Diese Übertreibung ist die Manipulation. Dieses Wer nicht für mich und meine Meinung ist, ist automatisch gegen mich und meine Sache, ist die Manipulation. Versetzen Sie sich in die Lage der Angegriffenen – Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie können sich verteidigen und versuchen, Ihren Ruf zu retten. Doch damit investieren Sie kostbare Zeit für ein Thema, das die andere aufgebracht hat. So verlieren Sie schnell die Initiative, denn kaum sind Sie fertig mit Ihrer Verteidigung, hat die andere die nächste Attacke parat. Zeit für die Vorbereitung haben Sie ihr ja gelassen.

Oder aber Sie nehmen die Attacke hin und antworten auf einer anderen Ebene. Vielleicht auf der Metaposition: „Wenn Sie, Frau Schwarzer, nicht zwischen Regelung der Prostitution und Befürwortung unterscheiden können, ist das Ihre Sache.“

Es gibt Lösungen aus der Manipulativen Rhetorik, aber wie Sie es drehen und wenden, die Attacke mit dem Labelling fügt schweren Schaden zu. Sie in eine Gegenattacke umzudrehen, ist oft nur schwer möglich. Wenn es gelingt, dann meist mit einem stärkeren, griffigeren Label. Das kann dann schon richtig bös’ sein: „Frau Schwarzer, Sie sollten sich mit den Frauen auseinandersetzen und nicht nur schwarz-weiß malen. Ich verstehe, dass Sie Ihr Buch gut verkaufen wollen, jeder will Geld verdienen, besonders im Alter, doch nicht auf dem Rücken jener Frauen, die zu retten Sie vorgeben. Sie sind die tatsächliche Profiteurin der Prostitution.“

Wie das erste Label der Prostitutionsbefürworterin, muss auch das vorbereitet werden, aber Profis bereiten sich vor. Hier hatten wir heftige Manipulation mit Labels und einem Zuckerguss: wir unterstellen, dass Frau Schwarzer sich mit der Sache gar nicht auseinandergesetzt hat. Der Eindruck entsteht, weil sie häufig nur über Dinge berichtet, die ihr erzählt wurden. Wir attackieren sehr unsachlich und persönlich mit der Altersfrage, immerhin wollen wir sie ja in Rage bringen, damit sie in Zukunft schlechter argumentiert. Und der Zuckerguss: wir unterstellen eine besonders niederträchtige Absicht: die des Geldmachens. Das ist wirklich gemein – ist aber nicht von der Hand zu weisen. Sowieso stecken hinter dem Buch kommerzielle Interessen und sowieso macht sie diese Tour durch die Diskussionsrunden um Geld zu verdienen. Damit wird sie zur Profiteurin der Misere. Und dieses Label geben wir ihr noch mit.

Um aber auch eines klar zu stellen: Frau Schwarzer hat viel für die Frauen getan, hier geht es nicht darum, sie in eine schlechtes Licht zu rücken, sondern darum, Argumentationsmuster und Stile zu analysieren und auch ein paar Tipps zu geben, wie man darauf reagieren kann. Offen gestanden bin ich froh, keine Meinung zu diesem Thema vertreten zu müssen, da kann man eigentlich nur verlieren.

Im Firmenkontext wird nicht so heiß gegessen, meinen manche. Ich kann Ihnen sagen, dort geht es nicht so offen gehässig zu wie in der Politik, aber die Methoden sind im Kern dieselben. In jeder größeren Firma gibt es Projekte, die unter die Kategorie Waterloo fallen, also die bravourös in den Sand gesetzt wurden. Begleitet von Budgetüberschreitungen und vielleicht auch der einen oder anderen beendeten Karriere, geistern die Namen dieser Projekte noch immer durch die Flure.

Über diese Projekte redet man so gerne wie über Darmgas. Kluge Rhetoriker wissen aber, dass auch heute noch Magie in den Worten verborgen ist. Nehmen wir ein Beispiel.

Angenommen eines der berüchtigten Waterloo-Projekte Ihres Arbeitsgebers heißt „Foxtrott“. Foxtrott ging damals so richtig in die Hose. Sie bekommen jetzt einen Vorschlag auf den Tisch, von dem Sie überzeugt sind: diese Idee, so gut sie auch klingen mag, setzt Ihr Unternehmen nie um. Die mag am Papier gut wirken, aber die ist für die Teams nicht machbar. Nehmen wir unser Sprichwort des Monats und sagen: da geht viel Zeit und Geld den Bach hinunter.

Ist es nicht sogar Ihr Job, dieses Projekt zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden? Bevor viel Zeit und Energie darauf verschwendet wurde? Sie können natürlich versuchen, mit Fakten-Argumenten zu punkten und vielleicht reicht das auch. Aber wer den Enthusiasmus kennt, von dem viele Projekte begleitet werden, der weiß: es ist besser, auf Nummer sicher zu gehen.

Und wie machen Sie das? Genau: indem Sie einmal das kommende Desaster in Richtung des guten alten Foxtrott-Projekts steuern. Sie können ganz klar sagen, dass das nun also Foxtrott 2 sei oder nur anmerken, dass da einige Parallelen wären. Sie können auch humorvoll in den Raum stellen, dass es ohnedies nicht klug sei, einen Fehler nur einmal zu machen, man solle in vier, fünf Mal machen, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Der Meier ist ja auch schon bei seiner dritten Ehe und wir haben dann unser zweites Foxtrott. Warum nicht? An Fehlern wächst man doch heißt es. Betreiben Sie diese Strategie, konsequent aber unaufdringlich und das neue Projekt wird sehr bald dorthin gehen wo es hingehört: den Bach runter.

Doch auch um die eigenen Projekte ins passende Licht zu rücken, brauchen wir Labels: in der Welt der Mobilfunker waren SMS jahrelang wahre Goldesel, man nannte sie die Killer-App, da ihr Ertrag alle anderen Projekte in den Schatten stellte. Heute bringen SMS kaum noch etwas und alle suchen nach einem neuen Ding, dem sie das Label Killer-App geben können. Eine Frage an Sie: was ist in Ihrem Unternehmen der Begriff für besonders erfolgreiche Projekte?

Geschickte Taktierer haben permanent ein Set an Labels zur Hand, die sie in ihrer Organisation einsetzen. Vielleicht sagen Sie an dieser Stelle, dass Sie kein Taktierer sein wollen. Nun, meine Erfahrung ist, wenn Sie ein Team von 5-8 Führungskräften haben, haben Sie fast immer ein taktisches Element in der Kommunikation vertreten. Sie können dieses steuern oder sich von diesem steuern lassen. Achten Sie einfach darauf: mit welchen Labels arbeitet Ihre Organisation – gibt es die superbösen Begriffe? Was sind die Labels, die gut, schlecht, rasch, vorsichtig, verschwenderisch et cetera beschreiben? Nicht alle sind überall vertreten, sie zu kennen heißt eine Landkarte der internen Kommunikation zu besitzen. Wer ans Ziel kommen will, hat Landkarten und vermeidet, dass seine Projekte den Bach runtergehen.